Wanderung zu einem weitgehend unbekannten Caspar-David-Friedrich-Motiv
Mit einer kleinen „Wanderweg-Rechtskunde für RomantikerInnen“
Dort, wo am Tiefsten das Tiefe, liegt aller Geheimnisse Pforte. 2024 ist Friedrich-Jahr. Kann man da überhaupt noch irgendwas entdecken?
Na klar. Einfach loswandern.
Nun, man achte auf die Lampe. Die öffentlich-rechtliche Straßenbeleuchtung weist auf die Kommune als Straßenbaulastträger hin. Woraus man schließen kann, dass das hier ein öffentlichen Weg ist. Wofür das wichtig ist, sehen wir 20 Meter weiter:
Da erschrickst du natürlich, Wanderer
Doch keine Angst.
[Anfang Exkurs „Kleine Wanderweg-Rechtskunde für RomantikerInnen“]
Bis zu dem Schild ist es Innenbereich der Gemeinde. Hier könnte ein wanderunfreundlicher Privatwegbesitzer den Weg durchaus sperren,
als Grundstückszufahrt zum Beispiel. Nur ist es eben, wie wir soeben gesehen haben, bis zu dem Schild kein Privatweg, sondern ein öffentlicher Weg.
Da darf jeder langwandern. Ab dem Schild scheint es nun ein Privatweg zu sein. Zugleich verlassen wir jedoch den Innenbereich der Ortschaft,
womit der Außenbereich beginnt, oder anders ausgedrückt, die „freie Landschaft“.
Es ist ein sich hartnäckig haltendes Gerücht, das wohl
auf das Feld- und Forststrafgesetz des Königreichs Sachsen vom 26. Januar 1909 zurückgeht,
dass ein durch die Landschaft führender Privatweg von seinem Eigentümer gesperrt werden könne.
Das ist aber falsch. Gemäß heute geltendem Recht (Bundesnaturschutzgesetz, Sächsisches Naturschutzgesetz usw.)
darf nämlich die freie Landschaft von jedermann zum Zwecke der Erholung unentgeltlich betreten werden.
Bloß nicht von solchen Schildern ins Bockshorn jagen lassen. Selbstverständlich darf hier jeder weiterwandern.
[Ende Exkurs „Kleine Wanderweg-Rechtskunde für RomantikerInnen“.]
Wer hier weitergeht, macht einfach nur von seinem Recht auf Betreten der freien Landschaft Gebrauch.
Nach einem Kilometer kommt der Wandrand.
Kernzone. Wandern außerhalb „ausgewiesener Wege“ verboten. Doch die Sphinx stellt uns eine Rätselfrage. Nach der Reihenfolge der Anbringung der beiden Schilder. War der „Langes-Horn-Wegweiser“ schon da, als der Ranger mit dem Kernzonenschild anrückte? Dann hat dieser Chuzpe bewiesen, indem er ihn hängen ließ. Oder wurde das „Lange-Horn-Schild“ später hinzugefügt? Von der Nationalparkverwaltung? Vom Ortswegewart? Von der Wander-Opposition?
Wie dem auch sei, es gibt Leute, die hier weiterwandern –
Und dann das hier:
2024 ist Caspar-David-Friedrich-Jahr.
Frank Richter ist dafür bekannt, jeden Friedrich in seine Teilmotive zu zerlegen und für diese dann den genauen Ort nachzuweisen. Hier ist es genau andersherum. Hier stehen alle Teilmotive eines hypothetischen Gemäldes von Caspar David Friedrich vor unseren Augen:
- Ein prototypisches Felsmassiv, das Unvergänglichkeit verheißt (Tetschener Altar, Albertinum; Morgennebel im Gebirge, Heidecksburg Rudolstadt*) )
- Der Gipfel weist in den Himmel und steht für die Erhabenheit der Schöpfung (Felsenlandschaft im Elbsandsteingebirge, Wien)
- Die Kiefer als Todessymbol (Grabmale alter Helden, Kunsthalle Hamburg)
- Die Fichte als Symbol immer wieder ergrünenden Lebens (Fichtendickicht im Walde, Neue Pinakothek München)
- Das Licht: Abend mit Wolken (Mannheim, Kunsthalle)
- Und dann noch der Rosenberg.
Alles da. Braucht man nur noch mit seinem Handy zu fotografieren.
Nur — wo es ist, das verrate ich nicht.
Dort, wo am Tiefsten das Tiefe, liegt aller Geheimnisse Pforte.
*) Der „Morgennebel im Gebirge“ befindet sich normalerweise in der Heidecksburg, aber es ist ein wenig mühsam, nur um das Bild zu sehen, nach Rudolstadt zu fahren. Zur Zeit (01/2024) ist das Bild aber in der großen Friedrich-Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg zu sehen.
31.12.2023 Inital
01.01.2024 Durchsicht
15.01.2024 Druchsicht