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Der große Tharandter Schneebruch vom 29. November 2012

Wie ich die Seele der Bäume kennengelernt habe

Der 29. November 2012 war ein Donnerstag, der dem Tharandter Wald noch lange in Erinnerung bleiben wird. Es war dies der Tag, an dem ganz plötzlich der Herbst zu Ende war: Mit einem überraschenden Wintereinbruch kam ganz viel Schnee in den Tharandter Wald. Tagsüber hat es dann noch etwas getaut und nachts gefroren und so ist der Pulverschnee fest geworden und die Bäume haben vergeblich gehofft, dass der Wind Ihnen den Schnee wieder herunterbläst.

Da habe ich die Seele der Bäume kennengelernt.


Großbild (900 kByte) unter dem Bild

Bäume haben eine andere Seele, als wir Menschen und die Tiere im Wald. Die Kälte macht ihnen nichts aus, und sie brauchen auch kein Futter. Aber sie können nicht weglaufen und sich nicht verkriechen. Wie leicht es uns Menschen und den Tieren doch fällt, so ein paar kleine Schneeflöckchen abzuschütteln.

Aber das können die Bäume nicht. Und so ist das, was wir als wunderschönen Winterwald erleben, wenn der viele schwere Schnee auf den Bäumen ist – für die Bäume eine ganz schlimme Sache.


Großbild (500 kByte) unter dem Bild

Denn damit beginnt für sie ein schlimmer Kampf. Ihre einzige Chance ist, auszuharren, dass es irgendwann ein Ende damit hat, dass die Schneelast immer größer wird. Und darauf zu hoffen, dass das Holz, aus dem sie doch bestehen, es doch aushalten und nicht brechen wird.

Wie achtlos gehen wir an so einem abgebrochenen Ast vorüber:

Ganz frisch gebrochen. Fast so stark, wie ein Dachsparren. So etwas bricht nicht so leicht durch.

Die kleinen Bäume haben natürlich gar keine Chance:

Aber auch große Birken biegt es fast bis zum Erdboden hinunter:

Ich habe dann so einen Baumwipfel, der sich vom Himmel bis zum Erdboden, ganz zu mir heruntergebogen hat, mit meinen Händen ergriffen. Wann hat man schon einmal den Wipfel eines ausgewachsenen Baumes in seinen Händen? Und als ich ihn gegriffen hatte, waren wir beide, der Baum und ich, für einen kurzen Moment miteinander vereint.

Und dann habe ich ihn geschüttelt; da ist der ganze schwere Schnee von ihm abgefallen. Und er hat sich mit einer gewaltigen Kraft mir entrissen und ist wieder zurück in den Himmel geschnellt. Da haben ich vermeint, ein Aufstöhnen des Baumes verspürt zu haben.

Und dann standen wir beide stumm in dem tiefen Winterwald. Und mir war so, als ob ich dem Baum etwas Gutes getan hätte. Ich hatte vielleicht von seiner Seele ein wenig gespürt. So wenig, wie eben ein Mensch die Seele von einem Baum erahnen kann. Denn was ist schon für so einen Baum – gut oder böse.

Diesem Bild hier habe ich den Arbeitstitel „Die Toteninsel“ gegeben:

Denn es ist dies ein schönes Bild. Und zugleich ein Bild vom Tod. Und so hat mich dieses Bild an das Bild Die Toteninsel von Arnold Böcklin erinnert. Ach, die Böcklin. (Die gar nicht von Böcklin ist. (Wohingegen freilich Gurlitt – der Alte – Böcklins Galerist war. (Ich schweife ab.)))

Schneebruch ist natürlich auch für uns Menschen gefährlich. Man sollte da nicht drunter stehenbleiben und hochschauen, weil man den Anblick so schön findet. Sondern — auch wenn das große Herunterbrechen vorbei ist — den Blick immer nach oben gerichtet haben.

 


Nach der Schlacht

Nach der Schlacht sind die grünen Wiesen rot. So beschreibt der Dichter Kurt Demmler Schlachten bei uns Menschen. Bei den Bäumen ist das anders. Wenn die Schlacht geschlagen ist, dann sind die Bäume weniger weiß.

Der Förster hat einen Haufen Arbeit und muss nun – das Holz schlagen.

Den stolzen Recken sieht man an, dass sie schon manch einen Schneebruch überlebt haben. Die alte Lärche vom B-Flügel in Höhe Rehsteig. Wenn die erzählen könnte:

Ein anderer Kriegsveteran ist die Alte Birke am E-Flügel, in Höhe Schneise 15. Ach, so ein alter Krüppel, denkst du da, kein schöner Baum. Wenn du den Baum aber eine Weile ansiehst, bemerkst du erst, wie viele Äste das sind, die da schon runtergebrochen sind, über die Jahre:


Großbild (800 kByte) unter dem Bild

Immer wieder hat sich das Ding gerappelt. Lange schaue ich zu dem alten Baum hinauf. In jedem der abgebrochen Äste steckt eine Geschichte. Von Kyrill? Oder von dem schweren Windbruch vom 26. Oktober 2002? Oder eben, von dem schlimmen 2012er Schneebruch im November.

Ich habe die Alte Birke dann in meine Kartierunterlagen eingetragen. Und so ist sie in die neue Auflage meiner Tharandt-Karte hineingekommen:

Vielleicht gibt ihr der Förster dann noch ein wenig das Gnadenbrot.

 


Na Quatsch aber auch, Böhm. Der Förster ist doch hier nicht der Blümchengärtner und lässt die alten Bäume stehen, weil bei denen die toten Äste so schön runterhängen und weil die vielleicht in einer Landkarte drin sind — schonmal was von Wegsicherungspflicht gehört? Wenn da Trockenäste runterkrachen können, muss der Baum weg:

Holz für Kronospan

Kronospan oder Feuerholz. Birke brennt immer.

Und überhaupt? Du wärst hier doch der Erste der wegen der Wegsicherungspflicht rumkräht, wenn dir erst ein Ast auf den Kopf geflogen sein wird. Oder etwa nicht? Wo du schon bei so Schneebruch im Wald rumrennen musst, wo es kreuzgefährlich ist.


Die Bilder sind bei meiner Kartierung des Tharandter Waldes im Dezember 2012/Januar 2013 entstanden. Ich bedanke mich herzlich beim Forstbezirk Bärenfels für die Unterstützung.

Um bei Schneebruch nicht in den Wald zu gehen, bedarf es übrigens keiner Warnung von einem Förster oder aus einer Zeitung. Wenn du einmal in so einem Schneebruch-Wald gewesen warst ... sobald da auch nur im Hörweite alle ein paar Minuten ein Baum stürzt oder ein Ast herunterbricht – da wirst du vor allem eines verspüren – Fracksausen.

Todesangst. Du wirst dann nur einen einzigen Antrieb in dir verspüren: Nichts wie raus aus diesem schlimmen Todeswald. Hinauseilen wirst du, blos nichts wie weg hier. Denn schon die nächste Bö kann den Baum neben dir brechen und stürzen lassen. Und die eine Sekunde, die er fällt, wirst du nicht nutzen können.

Und du wirst dann die Seele der Bäume den ganzen Rest deines Lebens nicht mehr vergessen können.

29.11.2013
06.12.2013

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