Wie geht eigentlich Kartenmachen?
Erst wird eine Karte gezeichnet und dann wird sie gedruckt. Hört sich einfach an, aber da gibt es noch ganz viel Detailarbeit „hinter den Kulissen“.
Dies lässt sich gut anhand meiner Zeichnung „Schloss Prossen und die große Elbschleife“ demonstrieren. Es ist dies eine Landschaftskarte die ich im Kundenauftrag gezeichnet habe. Format DIN A3, Vervielfältigung im preislich unschlagbaren Digitaldruck – los gehts.
Die Arbeit gliedert sich in 31 Arbeitsphasen. Phase 01 bis 09 ist für Anfrage, Vorentwürfe, Angebot, Auftragsbestätigung usw. reserviert. Die Phasen 10 bis 13 sind „analoge Zeichnungsphasen“. Die kann man schlecht ins Internet stellen. Doch mit Phase 14 wird die Karte erstmals „digital sichtbar“:
Phase 14: Roher Protoscan
Ein erster Scan, der die Karte etwa halbfertig zeigt. Denn als Auftraggeber wollen Sie ja erfahren, was Sie erwartet. Auflösung 600 dpi. Schwarz-Weiß-Karte mit roten Ortschaften:
Phase 15: Reduzierter Protoscan
Visueller kein Unterschied zur 14, lediglich (aus technischen Gründen) auf 400 dpi umgesampelt:
Reduzierter Protoscan in voller Auflösung
Phase 16: Roher Releasescan
Nun ist die Zeichnung fertig, sog. Releasescan, wieder zunächst in 600 dpi:
Phase 17: Reinzeichnung, rohfarbig in Fertiggeometrie
Auch hier kein visueller Unterschied zur Vorphase, lediglich Reduktion auf 400 dpi. Die Reinzeichnung ist zwar noch rohfarbig, das Bild steht jetzt aber in „Fertiggeometrie“, d. h. es weist diejenige Zeilenzahl, Spaltenzahl, Auflösung usw. auf, in der auch alle folgenden Phasen bearbeitet werden:
Reinzeichnung, rohfarbig in Fertiggeometrie/rohfarbig in voller Auflösung
Sieht schon ganz gut aus? Grundsätzlich ja, aber der Scan bringt die Farben in der Regel nicht so auf den Punkt. Weiter gehts ...
Phase 18: Kompostion 1, Faksimile der Reinzeichnung
Die rohen Farben werden auf exakte Weiß- und Schwarzpunkte gebracht, die Farbtöne feinfühlig verbessert (hier z. B. mal auf den Himmel rechts oben achten). Ergebnis ist die erste Farbkomposition comp1, das „Faksimile der Reinzeichnung“:
Faksimile der Reinzeichnung in voller Auflösung
Phase 19: Siedlungsdecker
Weiter gehts, einen Siedlungsdecker schneiden. Mit diesem können die Siedlungsflächen
(„adaptiv“) digital verbessert werden, ohne dass die Bildverarbeitungsoperation
unqualifiziert in die Nicht-Siedlungsbereiche eingreift:
Phase 20: Walddecker, monochrom
Waldecker schneiden. Ein separat angelegtes Grün macht sich immer gut ...
Feine Raffinesse: Da sind feine Schriftschatten rausgeschnitten.
Phase 21: Walddecker, farbig
... was dazu natürlich dann auch grün sein soll. Das ist ein bisschen ein Trick:
Wald in Karten niemals zu stark (quietzschgrün) anlegen. Bei ganz zarten Hellgelbgrüntönen
jedoch höllisch aufpassen, dass da das Cyan „nicht wegfliegt“. Und das Ganze kann leicht
außer Kontrole geraten, wenn man sich auf die Aquarellfarbe beim Zeichnen verlässt. Darum also der Walddecker:
Phase 22: Komposition 2 „Litho“
Der Walddecker kann nun in die einzelnen Farbkanäle der comp1 feinfühlig eingemischt werden,
gleichzeitig weitere Farb-Feinabstimmung. Mit comp2 entsteht eine zweite Farbkomposition
„Lithographie“. Hierbei hat der farbenfrohe Stil der alten Kartolithographen von
„um 1950“ ein wenig Pate gestanden:
Phase 23: Komposition 3 „Cooper“
Dritte Farbkomposition comp3, Trivialname „Cooper“. Stil à la handkoloroiertem Kupferstich
von etwa 1900:
Phase 24: Differenzbild digitale Änderungen
Komposition „Litho“ hat verloren, wir arbeiten mit „Cooper“ weiter, also mit Phase 23.
Nun aber erst einmal
etwas kartographisch Wichtiges fürs Archiv: Wir werden in den Folgephasen unsere Karte digital
weiterbearbeiten, aber möglicherweise irgendeinmal unsere Reinzeichnung
neu scannen wollen. Dann müssen aber natürlich alle digitalen Änderungen erneut
eingearbeitet werden. Damit hier nichts vergessen wird, Subtraktion von
Phase 23 und (der erst unten auftauchenden Schlussphase) 29.
Das Bild zeigt alle Änderungen:
Phase 25: Signaturierte Karte
Nun kommen Parkplätze, Wirtshäuser, Quellen, Wegmarken usw. in die Karte, sog. Signaturierung.
So etwas macht man besser nicht in der Reinzeichnung, denn bei den Punktsignaturen
kann sich immer einmal etwas ändern. Und dass dann ein- und auszubauen macht nun einmal
digital weniger Aufwand, als wenn man jedesmal die
Karte neu scannen müsste.
Phase 26: Korrekturlesung und -ausführung
Nun geht die Karte zur Durchsicht zum Auftraggeber. Parallel dazu eigene Durchsicht.
Korrekturausführung in insgesamt 5 Korrekturphasen. Korrektursuch-Wimmelbild:
Erkennen Sie die Unterschiede zur Vorphase?
(Steht auskommentiert im Seitenquelltext)
Phase 27: Wanderwegebänder
Fehlt noch was? Die Wanderwege müssen noch Bänder erhalten,
die wir schneiden ...
Phase 28: Karte mit Wanderwegebändern
... und einmontieren.
Aufkopieren, ganz einfach? Na ja. Zunächst gibt es da zwei Möglichkeiten.
Entweder Addition, also übereinanderlegen. Dann treibt das „aufaddierte“ Wegeband
in gedeckten Kartenpartien die Zeichnung ins Dunkle und der Wegverlauf verschwindet schnell im Schwarz.
Oder aber Maximumfunktion, die das Wegeband „untergelegt“. Was aber nun wiederum in vordergrundgrünen
Bereichen (exemplarisch dem Wald) die Deutlichkeit mindern kann.
Ganz elegant macht man es (sozusagen als Lagerfeld der „kartographischen Wegeband-Einkopie“) wie folgt:
Wegeband zuerst mit Maximumfunktion „unterlegen“ und dann nochmal auf etwa 40 % Intensität reduziert, aufaddieren.
Feingefühl. Etwas probieren. Stylish ist es, wenn das Wegeband, wie auf einer leicht transparenten
Glasscheibe, gleichsam über dem Karten-Hintergrund schwebt.
Phase 29: Releasekarte
Zum Schluss werden noch 5 Wandervorschläge nummeriert
und die Karte ist komplett fertiggestellt. Das ist das Endergebnis, die sogenannte
400-dpi-Releasekarte:
Phase 30: Digitaldruck-Karte
So, das könnte es gewesen sein, aber da kommt immer noch etwas.
Unsere „29er“ Releasekarte wird uns gewiss jeder Offsetdrucker in
herausragender Qualität drucken können.
Es soll ja aber ein kostengünstiger Digitaldruck werden. Nun wird da aber der Digitaldrucker
unsere Karte auf 300 dpi runtersampeln. Das kann zu bösen Überraschungen führen.
Also machen wird das mal lieber selbst und sehen die Karte in 300 dpi
noch einmal selber durch. Dass da nichts anbrennt. Freilich, der visuelle Unterschied
(zur Vorphase) sollte eher gering sein:
Phase 31: Uploaddatei
Noch was. Karte immer
mit bissl Rand zum Digitaldrucker geben. Denn
wenn der das bissl wacklig schneidet, könnte da auch noch bissl was schiefgehen.
Darum ist die „31“ auch ein ganz klein wenig größer, als die Vorphasen:
Wer genau aufpasst, bemerkt: Hierbei habe ich auch gleich noch ein
kleines Böhm-Wanderkartenlogo eingebaut. Nun ist die Karte wirklich
druckreif und kann hochgeladen werden.
Epilog
Das Titelkartuschenmotiv.
Mit Bildmotiven erlebt man immer wieder Überraschungen.
Weil es durch Bäume verdeckt wird, entwindet sich das Schloss Prossen
störrisch einer motivischen Wiedergabe von vorn.
Die Fassade, der gewaltige Lilienstein dahinter, die Elbufernähe,
irgendwie in der Perspektive nicht zu fassen. Kommt einfach nicht rüber. Wie beim
Petersdom.
Doch dann, von Norden her, Lottersteig, hat da überhaupt schon jemals ein
Sächsischer-Schweiz-Fotograf nach Motiven gesucht? — —
Dass dies „nur“ das Schloss von hinten ist, macht gar nichts. Die Dachlandschaft,
der reich gegliederte Baukörper, die Fensterformen;
die Talaue des Prossener Gründels, dahinter die Elbe und ganz hinten ist
sogar noch der Kleinhennersdorfer Stein zu sehen: Gib mir Worte zu schwärmen.
Der Lilienstein ist dann für den Zeichner auch kein Problem mehr.
Den habe ich mir dann einfach hingedreht.
10.11.2019
Komposition 3 „Copper“ in voller Auflösung
Releasekarte in voller Auflösung
12.11.2019