Wegedichten in deutschen Nationalparks

Über den Tellerrand geschaut

Was steht in den 2012er Evaluierungsstudien der deutschen Nationalparks über Wanderwege drin?

Muss weg

Die Komitee-Berichte

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Sächsische Schweiz
Wege: „Maßnahmen zum Wegerückbau noch zu gering“ (S. 27), „Forcierung von Maßnahmen der Wegeauflassung und des Wegerückbaus erforderlich“, „Priorität hoch, verantwortlich: Nationalparkverwaltung“ (S. 27), „Schwäche: Maßnahmen der Besucherlenkung bei weitem nicht ausreichend, kein Konzept zur Reduzierung der außerordentlich hohen Wegdichte“ (S. 29), „Schwäche: Netz außerordentlich umfangreich gekennzeichneter Wege führt zumindest außerhalb der Kernzone zu weitgehend ganzflächiger Besucherfrequentierung mit entsprechendem Beeinträchtigungspotential“ (S. 40)

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft
Wege: Auf S. 20 wird lediglich einmal der „Rückbau von Wegen“ kurz erwähnt.

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Jasmund
Wege: ... das „zu enge Wegenetz ist [...] auszudünnen“ (S. 21), „Reduzierung des Wegenetzes [...] dringend erforderlich“ (S. 23)

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Müritz-Nationalparks
Wege: Zerschneidungsgrad gering in Bezug auf Wanderpfade (S. 15). Empfehlung, alle Kreisstraßen im NLP zu Gemeindestraßen herabzustufen (S. 32). — Kommunalpolitische Anmerkung des Autors: Die Gemeinden werden sich da bestimmt über die Straßenbaulast sehr freuen.

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Harz
Wege: Wegdichte 33 Meter/Hektar gilt als „sehr dicht“ (S. 28) und „sehr engmaschig“ und ist „systematisch auszudünnen“ (S. 29)

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Eifel
Wege – Schwäche: „Bisher wurde erst in geringem Umfang mit dem Rückbau von [...] nicht mehr benötigten Forst- und Wirtschaftswegen begonnen.“ (S. 24)

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Kellerwald-Edersee
Wege: Wegdichte 29,8 Meter/Hektar gilt als „relativ hoch“ (S. 30) und ist auf 20 Meter/Hektar zu reduzieren (S. 31)

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Bayerischer Wald
Wege: Die Wegdichte ist mit knapp 29 Metern/Hektar „hoch“ (S. 16). „Traditionelle unmarkierte Steige dürfen im Zeitraum vom 15.07.-15.11. begangen werden“ (S. 31), was aber als „Ausnahmen vom Wegegebot“ angesehen wird und als Schwäche gilt (S. 31). Damit im Zusammenhang stehend Maßnahmenempfehlung „Prüfung, ob das Wegegebot ganzjährig und für alle Wegtypen gelten soll“ (S. 32) – also wohl Zweifel an einer Regelung mit Bestreben, deren Interpretation abzuändern.

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Berchtesgaden
Wege: „Wegegebote und Betretungsverbote sind nicht Bestandteil der Besucherlenkungsmaßnahmen“ (S. 26). Allerdings gelten „fehlende Weggebote“ als Schwäche (S. 6). Anmerkung: Stand 2013, hat sich möglicherweise geändert.

Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Hainich
Wege: „Wegegebote und Betretungsverbote werden von der NLPV nicht für zwingend erforderlich gehalten und existieren auch nicht“ (S. 28). So geht es also auch. Allerdings hat der Hainich nur etwa 400.000 Besucher pro Jahr.

Zusammenfassung

  1. Als Wegedichte Sächsische Schweiz werden (S. 12, S. 29 Evaluierungsbericht) 70 Meter/Hektar angegeben. Hier sind aber nur die sog. gekennzeichneten Wege berücksichtigt. Einschließlich nicht gekennzeichneter Wege ist die Wegdichte also höher. Somit ungefähre Schätzung im großflächigen Durchschnitt ungefähr 100 Meter/Hektar. Diese steigt in kleineren Felsgebieten aber auch schnell auf ein Mehrfaches davon an. Also nehmen wir etwa 100 bis 200 Meter/Hektar an.
  2. Dieser Wert wird im Evaluationsbericht mit „außerordentlich hoch“ bewertet, die Wegedichte ist „mit hoher Priorität“ (durch „Wegerückbau“) zu reduzieren.
  3. Doch auch anderen Nationalparks mit wesentlich weniger Wegen bescheinigen die Studien fast immer zu hohe Wegedichten, andernorts muss ebenfalls regelmäßig „reduziert werden“.
  4. Typische Wegedichtewerte sind 29 Meter/Hektar (Bayerischer Wald), 29,8 Meter/Hektar (Kellerwald) und 33 Meter/Hektar (Harz).
  5. Als maximal zulässige Zielwegedichte nennt die Kellerwald-Studie 20 Meter/Hektar. Das bedeutet einen durchschnittlichen Wegeabstand von 1 km.
  6. Das ist für die Sächsische Schweiz ein völlig illusorischer Wert. Rein rechnerisch ist unsere Wegedichte damit 5× bis 10× höher als „maximal zulässig“. Also müsste man 80 % bis 90 % der unserer Wege verbieten, sperren und verfallen lassen.
  7. Damit gibt es in der Sächsischen Schweiz zwei Möglichkeiten: Entweder man zerstört das Netz der Wege und Pfade bis zur Unkenntlichkeit (was möglicherweise dank Borkenkäfer gerade geschieht),
  8. oder aber die Sächsische Schweiz ist mit ihrem „außerordentlich hochdichten Wegenetz“ völlig nationalparkuntauglich. Dann wäre die richtige Konsequenz, den Nationalpark aufzulösen. Vielleicht ist die Königsbücker Heide mit ihren wenigen Wegen besser als Nationalpark geeignet.

Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Noch geringere Wegedichten werden gerade im Nationalpark Hunsrück-Hochwald umgesetzt. Dort wurde am 16.12.2020 ein Wegeplan in Kraft gesetzt, demzufolge das Wegenetz so weit zerstört werden soll, dass nur noch „Nationalpark-Querungen“ mit Maschenweiten ≥2000 m übrig bleiben, siehe z. B. Karte 23. Das entspricht „im Kästelpapiermodell“ einer Wegedichte von 10 Metern/Hektar:

„Kästelpapiermodell“ Tabelle Wegedichte „Kästelpapiermodell“

Wegedichten im Forst

Forstliche Holzabfuhrwege werden bei einfachen Verhältnisse mit 12-15 Meter/Hektar, bei durchschnittlichen Verhältnissen mit 20-25 Metern/Hektar, bei schwierigen Verhältnissen mit 35-40 Meter/Hektar geplant. Die praktische Wegdichte kann aber um ein Mehrfaches höher sein, denn unter dem unterhaltenen Forststraßennetz liegen ja noch vielfältige nicht(mehr)unterhaltene Altwege, Fußwege, Pfade; diese machen oft gerade den Reiz eines Wandergebietes aus.

Anmerkung

Allerdings täuschen Wegedichteangaben einen technokratischen Perfektionismus vor, den sie kaum haben. Grundsätzlich ist natürlich immer vom vollständigen Wegenetz auszugehen. Nationalpark-Wegekonzepte zeichnen sich aber mitunter dadurch aus, dass von vornherein nur Teilmengen der Wege betrachtet werden (Sächsische Schweiz und Schwarzwald: ja, siehe z. B. hier, Hunsrück: nein). Möglicherweise werden auch nur bestimmte, markierte oder anderweitig gekennzeichnete „offizielle“ Wege berücksichtigt (Harz?). Wurden bereits in der Vergangenheit erfolgte „Renaturierungen“ mitgerechnet oder nicht? So ist eine bloße Angabe einer Wegedichte in Metern/Hektar ohne zusätzliche Erläuterung der Methodik allein ziemlich wertlos. Wegenetze sind lebendige Strukturen, die mit vereinfachenden Primitivmessungen kaum in ihrem Wesen zu erfassen sind.


25.02.2021 Initial

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