Wie die Naturschutzgebiete werden immer größer werden

Regionalplan 2018

Bald gibt es nur noch Betonflächen und Naturschutzgebiete

Landespolitik muss geplant werden und dafür gibt es den Regionalen Planungsverband. Der zeichnet für den Regionalplan verantwortlich, schreibt diesen regelmäßig fort, da kann sich jeder mit seinen Anmerkungen, Einwendungen und Verbesserungsvorschlägen beteiligen. Das Ganze ist leicht ergoogelbar, z. B. schon mit „Regionalplan Sächsische Schweiz“.

Vom 1.11.2017 bis 31.01.2018 lag wieder einmal so eine „Gesamtfortschreibung“ zur Beteiligung aus.

Klar denkst du da, mögen das mal die Planer machen. Das sind ja schließlich die Fachleute. So ein Textteil mit 150 Seiten ist ja auch ganz schön langweilig. Hinten kommen dann noch ein paar Anhänge, riesenlang, Fachplanerische Inhalte und Landschaftsrahmenplanung (PDF, 70 MByte), als PDF hier Was soll da schon drinnestehen? Nun gibt es da eine Karte C, „Schutzgebiete“, also Naturschutzgebiete und Landschaftsschutzgebiete. Zunächst die, die es gibt. Dann aber auch die, die es noch nicht gibt: Die Geplanten. Wenn man sich da etwas hineinvertieft (und die Farben richtig interpretiert), so bemerkt man, dass es nicht wenig Gebiete sind, die sich in Planung befinden. In weiten Landesteilen erscheint es so, als ob sich ebenso viel Schutzgebietsfläche in Planung befindet, wie schon vorhanden sind. Das ist schon irgendwie bedenklich.

Und von all diesen Planungen erfährt man niemals etwas, außer, wenn man sich die Regionalplanung durchliest und dort in den Anhang „Fachplanerische Inhalte“ vorstößt und dort wiederum die Karte C anklickt. Irgendwann werden die neuen Schutzgebiete da sein, und das hat natürlich Auswirkungen. Aber wenn es einen betrifft, dann heißt es: „Das lag doch alles jahrelang im Regionalplan aus, also da hättet ihr euch ja mal eher drum kümmern können, jetzt ist es dafür zu spät.“

Zuerst dachte ich, es sind alles Druckfehler. Dann dachte ich, ich bin bei Loriot oder Kafka. Schließlich hat es mir keine Ruhe gelassen und ich habe diese Seite geschrieben.


Zunächst die gute Nachricht: Wir Elbsandsteingebirger in unserer Nationalparkregion kommen vergleichsweise glimpflich weg. Das liegt schlicht daran, dass bei uns ja fast schon alles Nationalpark ist. Da geht nicht mehr viel zu erweitern:

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Lediglich im Wesenitz- und Polenztal, am Cottaer Spitzberg u. a. werden ein paar Flächen von relativ geringer Größe neu ausgewiesen.

So richtig dick kommt es aber im Osterzgebirge. Da befinden sich Unmassen von Naturschutzgebieten in Planung oder starker Erweiterung: „Eibenwälder bei Liebstadt“, „Trebnitzgrund“, „Hennersdorfer Grund“, „Oberes Bahretal“, „Rund um Altenberg“ usw. Wenn man sich einmal ansieht, was sich da zusammenbraut, kommt man sich gebietsweise vor, wie in der „Totalreservats-Geisterbahn“:

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Man bedenke, all diese Flächen haben Eigentümer, Nutzungen, ein Wegenetz, die Kommunen wollen vielleicht mal was planen oder ausweisen, die Leute haben da ihre Heidelbeer- und Pilzfleckel. Und nun so ein Zuwachs an Naturschutzgebieten. Ob sich das immer völlig ohne Konflikte einvernehmlich umsetzen lässt? Die armen Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte von Glashütte, Bad Gottleuba-Berggießhübel, Altenberg, Liebstadt, Bahretal und Müglitztal.

Auch ein Blick auf das Dresdener Umland ist lohnenswert. Hier sind es großflächige Landschaftsschutzgebiete, die sich in Planung befinden:

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Wenn man da mal die hellgelben Flächen und die ganz hellgrünen Flächen zusammen betrachtet: Es fällt auf, dass es kaum noch „normale“ Landschaft gibt. Also so einfach mal ein Stück Wald oder Feld, einfach so, ohne Naturschutzschild. Vom Stolpen bis Moritzburg – alles irgendein Schutzgebiet. Langebrück – eine Art Waitzdorf, „mitten im Nationalpark“. Alles ist entweder vom Menschen massiv „zubetoniert“ – Stadt, Gewerbefläche, Straße, Autobahn, Einkaufsmarkt – oder aber es ist Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, FFH-Gebiet, Nationalpark. Ist das nicht ein wenig verrückt?

Es gibt nur noch Extreme. Es scheint, als ob uns das Gefühl für das rechte Maß verloren gegangen ist. Entweder die Welt retten, mit Riesen-Neubauten aus Beton. Oder die Welt retten mit Naturschutzgebieten. Dazwischen scheint es nichts mehr zu geben.

Was mir auch auffällt: Die Planungen werden überwiegend von Planern gemacht, die sich in Dresden (oder Berlin oder Leipzig oder München) befinden. Und tatsächlich gibt es dort Unmassen Planungsbüros, Landschaftsplaner, Ökologen, den Planungsverband, Forschung für Ökologie und Natur von TU bis IÖR, Lehrstühle mit Naturschutz-Professoren, Wildbiologen, Wolfs-Genforschungsinstitute, Beamte in Ministerien, die Landesdirektion, Umweltämter, obere, mittlere und untere Naturschutzbehörden, die passen alle auf, dass da „naturschutzfachlich“ alles immer in Ordnung geht.

Können die nicht mal bei sich in Dresden so richtig schön fetten Naturschutz machen? Das wäre doch mal was, mal ein richtig dickes Besucherlenkungskonzept für den Großen Garten: Damit da die Leute nicht länger die ganze Natur immerzu kaputt machen. In der Dresdner Heide so ein richtig schönes Totalreservat anlegen, 75 % Kernzone mit Totalbetretungsverbot und Borkenkäfer, das bringt ganz neue Sichtbeziehungen. Ein paar Hektar „Landschafts-Entsiegelung“ rund um die Frauenkirche für das drüsische Springkraut. Fledermäuse, Wildschweine, Waschbären, Auer- und Haselhühner, was das Zeug hält. Und auf den Elbwiesen das Biotop mal dahingehend neu durchkonzipieren, dass sich die Wolfsrudel nun endlich auch mal nach Dresden reintrauen.

Nee, geht ja nicht. Klar, aber dann geht man dem „ländlichen Raum“ mit lauter neuen Schutzgebieten „aufs Schwein“. Und das werden immer mehr und die werden immer größer. Damit man im „urbanen Raum“ noch ein bisschen mehr bauen kann, bekommen die „Landeier“ noch paar Naturschutzgebiete „außer der Reihe“ reingeballert: Ausgleichsmaßnahme. Die Landkommunen haben dann überhaupt keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr. Und wehe, du hast da ein Stück Wald (wo du vielleicht dein CO2-freies Feuerholz machst). Also, wenn das erst Naturschutzgebiet ist, das kannst du dann einigermaßen vergessen, da noch ohne Genehmigung der Naturschutzbehörde einen Baum aus deinem Wald rausholen zu dürfen. Dein Feuerholz kannst du dann im Baumarkt kaufen. Schwedisches. Nicht einmal Pilze im Wald sammeln geht dann noch. Denn im NSG herrscht Wegegebot, das weiß doch jedes Kind.

Wenn man sich mal anguckt, wie das allein bei uns im Bereich Elbsandstein läuft: Elberadweg Halbestadt – Kurort Rathen: naturschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig; Kletteranlage Burgfelsen Burg Hohnstein: Stadt hat Klage verloren; Wiederaufbau Schwarzbachbahn: naturschutzfachlich sehr kompliziert; Wohngebiet Rosenthal: Darf der Bürgermeister nicht ausweisen; Altenberg: dasselbe in grün; Stadt Hohnstein: hat keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten; Stadt Bad Schandau: hats deswegen ja auch noch nie mit einem B-Plan probiert; Elberadweg Krippen – Königstein: jahrelanger Großkampf zwischen Natur- und Denkmalsschutz; Feuerwehrneubau Krippen: Du und deine Höhlenschrecke. Usw. usf.

Damit will ich nicht sagen, dass gar nichts geht. Ausgleichsmaßnahme Ostrauer Ring, da wurden 92 wunderschöne neue Alleebäume an der Falkensteinstraße gepflanzt. Und letztendlich sehen die an den Bäumen auskragenden Natursteinborde an dem neuen Radweg nach Königstein auch schon irgendwie gut aus. Nur, es ist unendlich kompliziert. Verlierer sind immer derjenigen, die es nicht schaffen, sich von einem Stab von Landschaftsplanern, Umweltgutachtern und Naturschutzanwälten umschwärmen zu lassen. Welche oftmals in urbanen Gebieten à la „Prenzl.-Berg“ siedeln, hübsch urban gardening machen, die Landliebe lesen und — schön dunkelgrün wählen:

Reich mir mal den Rettich rüber.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nichts gegen Naturschutzgebiete und nichts gegen Stadtentwicklung. Nur bitte ein bisschen in Harmonie und in ausgewogenem Miteinander. Aber das halbe Land Sachsen „urban entwickeln“ mit Riesen-Bauprojekten, städtischer Verdichtung, Gewerbegebieten usw. und den Rest zu Naturschutz-Totalreservaten und No-go-Areas ausbauen: Damit versöhnt man nicht Mensch und Natur miteinander, sondern damit baut man ein Spannungsfeld Natur – Mensch gerade erst auf.

 


05.02.2018. Diese Seite enthält ein Zitat von Rainald Grebe.

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