Totalreservat Sächsische Schweiz geplant? (Kapitel 4)

Niemand hat die Absicht den Nationalpark Sächsische Schweiz in ein Totalreservat umzuwandeln

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Kapitel 4: Zitate aus kaum beachteten Fachveröffentlichungen der Naturschutz-Planer (Nr. 3)

Wilderness Guidelines der Europäischen Union (WG)

Titel: Leitfaden für Wildnisgebiete im Natura-2000-Netz. Europäische Kommission. Technischer Bericht - 2013 - 069 (Wilderness Guidelines, WG). Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2013.
Link Volltext: https://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/wilderness/pdf/WildernessGuidelines_de.pdf , falls Deadlink vielleicht auch einmal probieren, ob mal hierüber reinkommt, leider wird der Link immer wieder einmal geändert.

Ein Text der Europäischen Kommission, der weit mehr als ein „technischer Bericht“ ist.

Zitiert

Worum es auf den 113 Seiten geht? Den Borkenkäfer als „Schlüsselart“ nutzen. Waldbrände in Kauf nehmen. Das Wandern verbieten. Hier unsere Durchsicht:

 

Den Borkenkäfer als „Schlüsselart“ nutzen

S. 69:

Zitiert

Uns wurde immer erzählt, der Borkenkäfer wäre ein Naturphänomen. Ursache ist der fehlerhafte Fichtenanbau und das Klima, das hätte mit dem Nationalpark überhaupt nichts zu tun und man kann absolut nichts dagegen machen. Es wäre unzutreffend, wenn man behaupten würde, im Nationalpark wäre der Borkenkäfer bewusst eingesetzt worden. Plötzlich ist er „in natürlichen Gebieten“ eine „Schlüsselart“, die per „interventionslosem Management“ (Klasse Wort) dazu animiert wird, „sich auf die Dynamik des Waldes auszuwirken“. Wie, das merken wir.

S. 72:

Zitiert

Im Bayerischen Wald hat es wegen „des stark veränderten Landschaftsbildes“ infolge Borkenkäfer „Unmut“ gegeben (Müller, M.: Global Environment Change 21 (2011), S. 935-946).

Der Befund überrascht, denn eigentlich hieß es ja immer, dass es mit dem Borkenkäfer im Bayerischen Wald doch nicht so schlimm gewesen wäre und die Schäden weitgehend akzeptiert würden.

Handlungsempfehlung: Man betreibt eine „interventionslose Managementstrategie“ und informiert „Bevölkerung, Touristen und Anwohner“ mit einem „guten Kommunikationsplan“ über „die ökologische Bedeutung der zyklisch auftretenden starken Vermehrung des Borkenkäfers“.

Einwandfrei. Denke mal auf die Info haben die Hinterhermsdorfer gerade gewartet, als sie bei dem Waldbrand auf ihrem Evakuierungsgepäck rumgesessen haben. Naturschutz ist wichtig. Dafür muss man auch schon mal ein kleines Opfer bringen können.

Jetzt aber noch was anderes. Das ist denen ihr Kenntnisstand von 2013: „zyklisch auftretende starke Vermehrung des Borkenkäfers“. Das ist ja ziemlich eindeutig ausgedrückt. Die haben also 2013 schon ziemlich klar gewusst, was hier abgehen würde – und ab 2018 dann auch abgegangen ist. Und gewiss hat die EU-Naturschutzabteilung einen guten Draht zum SMEKUL-Naturschutzreferat. Also hätte die Nationalparkverwaltung schon ein paar Jahre Zeit gehabt, die Kommunen mit besagtem „guten Kommunikationsplan“ darauf hinzuweisen, dass schleunigst die Brandschutzvorsorge zu intensivieren sei. Das aber wurde unterlassen. (Was übrigens auch wieder einleuchtet, denn da hätten die Kommunen natürlich zuerst ein dichteres Rettungswegenetz angemahnt, was mit der Forderung nach Wegenetz-„Ausdünnung“ der 2012er Evaluationsberichte kollidiert.) Das könnte natürlich jetzt, nach dem Brand, den Umweltminister in Erklärungsnot bringen. Das erklärt wiederum, wieso das SMEKUL nun (exemplarisch mit dem Gutachten von Prof. Müller) so viel Wert auf die Feststellung legt, dass Totholz nicht brennen würde und dass ausreichend Rettungswege offen gewesen wären.

 

Waldbrände in Kauf nehmen

Kann es sein, dass man sich der Brandgefahr wirklich nicht bewusst gewesen war? Dazu einfach zwei Seiten vorblättern:

S. 74 oben:

Zitiert

„In den meisten borealen Wäldern stellt die Brandunterdrückung noch immer ein Bewirtschaftungsziel dar.“ Steht wirklich so da. Unglaublich. Das ist ja wirklich schlimm, dass der Gesetzgeber Brandunterdrückung betreibt. Brandunterdrückung macht in Tateinheit mit dem noch viel gefährlicheren Brandschutz die ganze Natur kaputt. Es gilt Waldbrände wieder einzuführen. „Wiedereinführung von Waldbränden“. Steht wirklich da. Zuerst dachte ich, es sind alles Druckfehler. Zwar erstmal nur „in Fennoskandinavien“, aber wieso, sowas muss selbstverständlich auch bei uns möglich sein.

Jeder muss seinen Beitrag zur Rettung der Welt leisten. Da können wir uns nicht hinstellen und immer nur sagen, die mögen Naturschutz mal in Alaska oder Sibirien machen, Hauptsache nicht hier. In Finnland brennt es in den Wildnisgebieten, in Portugal und Italien auch. Selbstverständlich muss es auch bei uns brennen.

S. 74 unten:

Zitiert

„Die Wechselwirkung zwischen Borkenkäfer, Brennmaterial und Bränden in Waldökosystemen ist von inhärenter Komplexität und noch weitgehend unerforscht.“ Steht wirklich da. Heißt im Klartext: Keine Sau weiß, was bei so einer Mischung von Borkenkäfer, Waldbrand und Totholz am Ende rauskommt. Aber man kann es ja mal an den Versuchskarnickeln im Elbsandstein ausprobieren.

(Nachtrag 17.07.2023: „Keine Sau weiß“ stimmt nicht ganz. Mir sind mindestens drei weit vor dem großen Waldbrand 2022 warnende Stimmen bekannt: Peter Zimmermanns unbeantworteter Brief an den Nationalparkchef; Rainer Petzold (SBB) hat im Februar 2020 einen bevorstehenden großen Waldbrand sehr konkret prophezeit; Beke Hielscher, seinerzeit Forstbetriebsleiterin in der Nationalparkverwaltung hat am 21.07.2022 von einer „großen Angst vor einem Brand“ gesprochen. Das „keine Sau“ bezieht sich also auf die Verfasser der Wilderness Guidelines, angesichts eines realen Borkenkäferwaldes dürfte es keiner irgendwie gearteten Forschung bedürfen, um die Brandgefahr zu bestimmen. Da reicht hingucken aus.)

Für die Wortschöpfung „inhärente Komplexität“ gilt dasselbe, wie für die „interventionslose Managementstrategie“. Inhaltsleere Wissenschaftsschwubelei. Die kriegen den Gert-Postel-Preis.

S. 75:

Zitiert

Das Wandern verbieten

S. 58:

Zitiert

Besucher gelten als potentielle Bedrohung. Alles klar?

S. 58/59:

Zitiert

Der Wanderer pflückt „illegal Pflanzen“, seine Lieblingstätigkeit ist das „Zertrampeln“ und natürlich „stört“ er gewiss auch die Tiere so schlimm, dass sie wegen ihm ihr Verhalten ändern müssen. Er war und ist ein apokalyptischer Naturzerstörer und wird es wohl auch immer sein.

Die „Erholungssuchenden“ verursachen „Druck“. Dieser ist „in einigen Fällen zu begrenzen“, was im Klartext heißt, das das gesamte Wegenetz einer Landschaft systematisch zerstört werden muss. Waldwege sind (laut Evaluierungsbericht 2012) nicht hinnehmbare Landschaftszerschneidungen, die nun mal beseitigt werden müssen. Zuerst werden alle Wege, sofern sie nicht gerade markierter Hauptwanderweg sind, gesperrt. Oder man lässt das einfach mal den Borkenkäfer machen. Wege im Mikado einfach nicht mehr freisägen und der Fall erledigt sich mittelfristig recht geräuscharm von alleine.

S. 59:

Zitiert

Was man gegen diese schlimmen Wanderer tun könne? Nun, „spezielle Stege“ bauen, denn anders kann der „öffentliche Zugang zum Nationalpark“ nun einmal nicht gestattet werden. Wie solche Stege aussehen, mag sich, wer will auf den Falkenstein in der Böhmischen Schweiz ansehen. Auch der von unserer Nationalparkverwaltung neu errichtete „Weg zur Wildnis“ fällt in diese Kategorie. Einfach so auf einem kleinen Waldweg wandern, Kinder, sowas geht überhaupt nicht, was bildet ihr euch ein? „Empfindliche Bereiche“, die „geschützt“ werden müssen – das sind in einem Nationalpark 99,9 % der Fläche. Der Rest ist „Touristen-Rummelzone“. Alles klar?

S. 81:

Zitiert

Eine ganz schwierige Zielgruppe sind die „Anwohner“ mit dieser blöden „engen Bindung an das Gebiet.“ Die sind nämlich nicht so doof, wie Urlauber, die hier nur einmalig da sind und denen man unter „naturschutzfachlicher Bildung“ sonstwas auftischen kann. Am Ende wohnen auch noch die Großeltern von so Anwohnern dort erzählen ihren Enkeln von früher, bevor das alles „Großschutzgebiet“ geworden ist. Da war nämlich die Landschaft auch schon vorhanden und wunderschön und überhaupt nicht kaputt und man ist einfach rausgegangen und durfte das sogar. Und es gab ganz viele wunderschöne kleine Waldwege und Pfade und da sind die schon vor 50 Jahren als Schulklasse zum Wandertag langgewandert und da hat man selbstverständlich auch schon auf die Natur geachtet und da hat niemand irgendwas kaputt gemacht.

Wieso denken da jetzt die „Anwohner“, dass ihnen „möglicherweise der Zugang zur Natur verwehrt würde“? Wo es da doch noch diese „speziellen Steige“ gibt, auf denen man so schön herumspazieren darf.


 

Alles klar, Europäische Union?

Eins muss man den Naturschutzpolitikern in Brüssel lassen: Sie reden Klartext. Es ist ihr erklärtes Ziel, die Kulturlandschaft systematisch kaputt zu machen, das uralte Wegenetz zu zerstören und uns Menschen nur noch in Restbereichen der Landschaft zu dulden.

Was würden eigentlich unsere Altvorderen dazu sagen? Die haben mit schwerer körperlicher Arbeit Wälder gerodet, den Forst eingerichtet, Forstkulturen gepflanzt, die Bestände gepflegt, das Holz geschlagen und gerückt und gebloßt und geflößt und gefahren und geschnitten. Im Schweiße ihres Angesichts. Damit wir alle ausreichend Holz hatten, um uns daraus Häuser zu bauen und diese zu beheizen. Am Altarstein stehen sie noch, die Namen der alten Königlichen Forstmeister.

Kann man überhaupt etwas dagegen tun? Die lokale Bevölkerung ist Staub in den Händen der Umweltpolitiker in Brüssel, Berlin und Dresden. Du darfst dich da vielleicht mal mit einer „Diskussionsrunde“ zu Wort melden, was aber auch eher nichts ändert (siehe z. B. meine exemplarische Darstellung hier). „Lokale Bevölkerung“ ist bei den Wissenschaftlern ohnehin nur eine der politschen Korrektheit dienende Umschreibung für „doofe Dorfdödel“, die man am besten mit Bürokratie und Vorschriften behandelt. Bei sowas machen die nämlich ganz schnell schlapp.

David gegen Goliath. Die Naturschutz-Fachexperten haben einen jahrzehntelangen universitären Bindungsgang hinter sich und machen das in Vollzeit auf Wissenschaftlerstellen. Dazu gibt es noch Pressesprecher, Studienautoren, Beratungsunternehmen und Webagenturen. Die „lokale Bevölkerung“ macht das nebenberuflich nach Feierabend im Ehrenamt.

Gibt es denn gar keine Hoffnung?


 

Zeichen der Hoffnung

Doch wollen wir unsere Kritik an QgW, BfN-Skript 520 und den WG hier nicht völlig in Resignation beenden. Ein paar Zeichen der Hoffnung habe ich doch entdecken können.

Gibt es also doch hier und da Lichtblicke der Hoffnung?

Wir alle sind aufgerufen, uns vielfältig Gedanken zu machen.

Kleine Waldhütte in der Einsamkeit Kleine Waldhütte in der Einsamkeit


 

23.02.2023 Initial, Seite in Kürze fertig
26.02.2023 Text 3 durchgesehen
29.02.2024

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